Die Bahn hat noch nicht einmal 20 %

Der Anteil der Güter, die in Deutschland mit der Bahn transportiert werden, liegt bei unter 20 Prozent. Noch immer, auch im digitalen Zeitalter, werden die Waggons von Zügen händisch gekoppelt, Waggon für Waggon. Aus stillgelegten Bahnstrecken entstehen Radwege quer durch das industriell hoch entwickelte Ruhrgebiet und niemand stellt sich die Frage, warum die vielen Bahnanschlüsse, die in den 60er-Jahren eigentlich zu jeder etwas größeren Firma gehörten, nicht mehr existieren, obwohl die Firmen auch heute noch produzieren. Viele still gelegte Strecken und verkaufte Bahnhöfe an Privatpersonen hatten für die Unternehmen nur eine alternativlose Lösung parat: von der Schiene auf die Straße. Wer schon einmal im Rheintal seinen Urlaub verbracht hat, ein paar Kilometer oberhalb von Koblenz, dem kann es passieren, dass nachts direkt hinter seinem Hotelzimmer die Güterzüge mit geringem Zeitabstand vorbeifahren. Da bleibt keine Zeit für einen geruhsamen Schlaf.

Wie müssen sich erst die Anwohner fühlen, die Zeit ihres Lebens die Güterzüge hören müssen, weil sie dort wohnen wollen oder sogar müssen. Eigentlich ist das Rheintal an dieser Stelle nicht breit genug für Güterzüge und Anwohner. Auch vorbei sind die Zeiten, in denen es noch hieß, die Bahn müsste unbedingt an die Börse. Es braucht in Deutschland im Schnitt 23 Jahre, eine neue Bahntrasse mit einer Länge von 30 Kilometern fertig zu stellen. Davon entfallen circa 14 Jahre auf die Planungs- und Genehmigungsphase. Ganz anders als hierzulande geht es in Nordamerika zu. Dort kann man an einem Bahnübergang den Motor seines PKWs für einige Zeit abstellen, wenn ein Güterzug die Straße kreuzt. Während Güterzüge bei uns mit circa dreißig bis vierzig Waggons unterwegs sind, haben Güterzüge in Nordamerika oft eine dreistellige Waggonanzahl. Daher liegt der Anteil am gesamten Transport mit der Bahn bei über vierzig Prozent.

Der LKW-Transport belegt den ersten Platz

Mit ungefähr 72 % Anteil am Transportwesen belegt hierzulande der LKW-Verkehr den ersten Platz trotz eines Sonntagsfahrverbots für Waren, die nicht in den Bereich Lebensmittel fallen. Das Hauptargument der Logistikfirmen sind die niedrigen Löhne der Fahrer. Obwohl ein LKW 110x mehr CO2 ausstößt und dreimal mehr Verkehrsfläche benötigt als die Bahn, verteidigt er nach wie vor seinen ersten Platz in der Rangliste des Transportwesens.

Eine Statistik des BMVI (Bundeministerium für Digitales und Verkehr) aus dem Jahr 2020 ist auch heute noch aktuell:

  • Kombinierter Verkehr 8,2 %
  • Sonstiger Schienengüterverkehr 9,8 %
  • Eisenbahnverkehr 18,0 %
  • Binnenschifffahrt 6,9 %
  • Rohrfernleitung 2,5 %
  • Luftfracht 0,2 %
  • Straßengüterverkehr 72,4 %

Warum ist das so?

Wie das Handelsblatt im Mai dieses Jahres zu Recht schreibt, ist das Schienennetz eine einzige Baustelle. Gerade wegen der Baustellen, die sich immer über mehrere Monate hinziehen, sind wichtige Streckenkorridore unterbrochen. So kämen Rohstoffe für die Industrie nicht rechtzeitig an. Deshalb verlagern immer mehr Unternehmen den Güterverkehr auf die Straße. Vierhundert Züge zum Beispiel, die nicht fahren, transportieren so viel Waren wie 20.000 Lastwagen. Ursächlich für den gestörten Transport von Waren sei die Priorisierung des Personenverkehrs. Gerade weil die Bahn im Jahr 2022 circa vierzehn Milliarden Euro in die Beseitigung von Schäden investiert, würde dieses Chaos weiter anheizt.

Es liegt nicht nur an den unterschiedlichen Transportmärkten

Mit den Lastkraftwagen, die auf deutschen Straßen unterwegs sind, werden hauptsächlich Baumaterialien wie Zement und Glas transportiert. Auch der überwiegende Teil der Nahrungs- und Genussmittel kommt mit einem Lkw zu den Unternehmen. Auf den Waggons der Deutschen Bahn dagegen findet man hauptsächlich Container, Metall- und Metallerzeugnisse, Kohle, Erdöl und Erdgas.

Vielleicht kommt es auch auf die Strecke an

Eine gerade veröffentlichte Studie des BMI aus dem Jahr 2022 (Bundesministerium für Digitales und Verkehr) beschäftigt sich mit den Entfernungskilometern, die ein LKW auf deutschen Straßen durchschnittlich zurücklegt.

  • 56 % aller Fahrten auf deutschen Straßen bewegen sich in einem Rahmen von weniger fünfzig Kilometern.
  • 24,1 % von 50 km bis 150 km
  • 11,9 % von 151 km bis 300 km
  • 5,3 % von 301 km bis 500 km
  • 2,7 % mehr als 500 km

Vielleicht liegt die Zukunft in einem kombinierten Verkehr, bei dem die Bahn die langen Strecken der Güter übernimmt und diese nach der Fahrt auf einen LKW umgeladen und zum Zielort gefahren werden. Zur drastischen Verminderung des CO₂-Ausstoßes würde es auf jeden Fall führen. Auch die Infrastruktur der meisten deutschen Häfen ist den Anforderungen gewachsen. Sogenannte RoRo Rampen (Roll in / Roll Out) sorgen dafür, dass nicht nur die Lkws mit ihren Anhängern in den Bootsrumpf fahren können, sondern auch komplette Züge mit ihren Waggons.